Pragmatistische Politikdidaktik
2014 habe ich eine politikdidaktische Gesamtkonzeption auf der Basis des amerikanischen Pragmatismus vorgelegt. Der Erstauflage meiner „Pragmatistische(n) Politikdidaktik“ folgt nun 2023 ein Update in gekürzter Form und als Studienbuch konzipiert. Die Erweiterung im Titel „Pragmatistische Politikdidaktik und Demokratielernen“ stellt dabei keine grundlegende Neuerung dar, sondern soll vor allem den Fokus des Konzepts nur deutlicher hervorheben.
Die Pragmatismusrezeption in Deutschland:
Lange Zeit hatte der Pragmatismus in Deutschland einen schweren Stand. Beifall erhielt diese philosophische Richtung zuerst von der falschen Seite. Für Protagonisten der Nazi-Ideologie war der Pragmatismus hauptsächlich durch das Kriterium der Nützlichkeit implementiert und erhielt so Fungibilität für eine „faschistische Ideologie der Tat“. Erst mit der Neuedition von John Deweys „DEMOCRACY AND EDUCATION“ (1993) erhielt der Pragmatismus hierzulande positive Aufmerksamkeit.
Der Pragmatismus in der Geschichte der Politischen Bildung:
Die Geschichte der Politischen Bildung in der Bundesrepublik hat Gesamtkonzeptionen hervorgebracht, deren philosophische Referenztheorien in den Jahren nach 1968 zu einer Lagerbildung geführt haben. In der Zeit nach dem Beutelsbacher Konsens (1976), der den Richtungsstreit der nachachtundsechziger Jahre beendet hat, ereignete sich eine Professionalisierung“, die auch mit einem Verzicht auf Theoriebildung einhergegangen ist.
Die Politikdidaktik war aber vielleicht gerade wegen ihrer Hinwendung zur Praxis, zu Alltagsfragen und zu Methodenfragen nie theorielos. So gibt es Gründe, die es nahelegen, dem Pragmatismus den Status einer Bezugs- oder Meta-Theorie der Politikdidaktik zuzuerkennen. Der Untertitel der Erstauflage „Making It Explicit“ bringt dabei zum Ausdruck, dass eine pragmatistische Grundlegung keine konstitutive Neuerfindung ist, sondern lediglich die deklaratorische Explikation einer immer schon vorhandenen Bezugstheorie, deren Existenz in den verschiedenen politikdidaktischen Konzeptionen bislang versteckt geblieben ist.
Die Gewährsleute in der Philosophie: John Dewey und Charles Sanders Peirce
Verschiedene Anläufe, den Pragmatismus auf der Basis der Erziehungsphilosophie von John Dewey hoffähig zu machen, waren nur mäßig erfolgreich, weil Deweys Konzept normativ zu schwach ist. Erfolg versprechender erscheint dagegen der Rekurs auf den Urvater des Pragmatismus Charles Sanders Peirce, dessen pragmatistische Erkenntnistheorie eine beachtliche Relevanz für ein normatives Konzept der Politischen Bildung entfaltet, zumal im Pragmatismus à la Peirce eine Aufhebung anderer Bezugstheorien gelingen kann. Noch bevor der Terminus lebendig wurde, hat Peirce mit seiner Pragmatischen Maxime den linguistic turn vollzogen. Sein Pragmatismus kann somit z.B. auch konstruktivistische Elemente integrieren. Daraus ergeben sich interessante Ansätze für eine pragmatistische Grundlegung der Politischen Bildung.
Praktische Philosophie oder Pragmatismus: Eine Diskussion mit Bernhard Sutor
Der Pragmatismus kann – wie Sutor eingesteht – als moderner Zweig der Praktischen Philosophie angesehen werden. Unter Berücksichtigung der sprachpragmatischen Wende in der Philosophie (linguistic turn) wendet sich der Pragmatismus stärker dem Subjektfaktor in der Erkenntnis zu, ohne diesen zu verabsolutieren, wie dies etwa der Radikale Konstruktivismus tut. Bedeutsam für die Politische Bildung ist jedoch gerade in den Zeiten von Fake News und alternativen Fakten, dass der Pragmatismus auch an der objektiven Bestimmtheit von Erkenntnis und Urteil festhält. Er stellt somit ein Bollwerk politisch- rationaler Urteilsbildung dar, deren Relevanz täglich durch die Beliebigkeiten digitaler Kommunikation belegt wird. Siehe in diesem Zusammenhang auch den Überblick über die zentralen Merkmale des Pragmatismus sowie die Dokumentation einer Diskussion zwischen Bernhard Sutor und Armin Scherb zur Frage Praktische Philosophie oder Pragmatismus?